Unseren Themenblock Sexualität in Österreich haben wir mit einer ausführlichen Infografik über mögliche Verhütungsmethoden eröffnet. Wenn man dabei die verfügbaren Methoden für Frauen und Männer vergleicht, sticht ins Auge, dass für Männer nur zwei Optionen zur Auswahl stehen: das Kondom und die Vasektomie. Natürlich ist eine Vasektomie praktisch, wenn man langfristig beziehungsweise permanent keine Kinder zeugen möchte. Und das Kondom verhindert nicht nur Schwangerschaften, sondern schützt auch vor Geschlechtskrankheiten. Das heißt, es gibt eine operative und eine mechanische Verhütungsmethode für Männer, aber es mangelt an hormonellen Methoden.

Obwohl die Mentalität, dass hormonelle Verhütung Frauensache sei, mittlerweile stark verschwunden ist, gibt es einen Grund warum sich die Forschung so schwierig gestaltet. Es ist medizinisch und biologisch gesehen einfacher einen monatlichen Eisprung zu verhindern, als die tägliche Produktion von Millionen von Samenzellen zu stoppen[1].

Seit mittlerweile fast zehn Jahren wird auf der ganzen Welt nach einer „Pille für Männer“ geforscht. Oftmals wurden Tierversuche[2] durchgeführt; einige wenige Forschungen schafften es bis zur Studie an Menschen. Dazu zählt eine internationale Studie der Weltgesundheitsorganisation[3] im Jahr 2011, an der 400 Männer teilnahmen. Es wurde bei dieser Studie eine Injektion, die Testosteron und Gestagen enthielt, getestet. Aufgrund zu starker Nebenwirkungen, wie Hautprobleme, Depressionen und Gewichtszunahmen, wurde der Versuch vorzeitig abgebrochen.

Am effektivsten und ausgereiftesten scheint eine relativ natürliche Pille aus Indonesien zu sein. Indigene Männer der Insel Papua verwendeten die Gendarussa-Pflanze, die sie entweder kauten oder in Form von Tee zu sich nahmen, schon seit langem zur Schwangerschaftsverhütung. Im Jahr 2011[4] wurde zum ersten Mal berichtet, dass Wissenschaftler versuchen den Wirkstoff der Pflanze zu synthetisieren. 2014 wurde das Studienresultat[5] der indonesischen, nationalen Familienplanungskoordinations-Behörde (National Family Planning Coordination Board) und der Airlangga Universität veröffentlicht: Die Pille sei zu 99 Prozent wirksam.[6] Der Vorteil dieser Pille ist, dass sie sich nicht auf den Hormonhaushalt auswirkt, sondern die Spermien insoweit schwächt, dass sie nicht mehr in eine Eizelle eindringen können. Deshalb gab es nur schwache Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder eine gesteigerte Libido. Obwohl diese Pille sehr vielversprechend ist, bräuchte es umfangreichere Studien damit sie in den USA oder in der EU zugelassen werden könnte.

Vergleicht man andere Studien fällt auf, dass einige Ansätze einer hormonellen Verhütungsmethode Testosteron als Hauptbestandteil verwenden wollten. Testosteron kann aber nicht als orales Medikament gegeben werden, da es im Magen-Darm-Trakt vom Körper nicht aufgenommen, sondern abgebaut wird. Andere Methoden es zu verabreichen wären zum Beispiel die Injektion, wie sie bei der Studie der Weltgesundheitsorganisation verwendet wurde. Auch an Implantaten wurde geforscht[7]. Ein weiteres Problem sind die starken Nebenwirkungen, die sich aus der Testosteron-Dosierung ergeben.[8]

Die aktuellste und möglicherweise im europäischen Raum vielversprechendste Studie findet an der University of Edinburgh[9] statt. Es wird ein Jahr lang ein Gel[10], das aus Progestinen und Testosteron besteht, an 80 Männern, die in Partnerschaften leben, getestet. Es muss einmal am Tag auf Oberarme und Schultern aufgetragen werden und soll dadurch die Spermienzahl der Teilnehmer sehr stark reduzieren beziehungsweise komplett stoppen. Die Kombination aus Progestin und Testosteron wird angewandt, damit der Testosteronspiegel nicht zu drastisch sinkt und die Nebenwirkungen nicht zu stark ausfallen. Der Studienleiter Richard Anderson ist bei dieser Forschung zuversichtlich und meint, dass das Verhütungsgel wahrscheinlich eine Erweiterung beziehungsweise alternative Verhütungsmethode wäre.

Wir sehen das so: Wie bei allem was Sexualität anbelangt, ist auch Verhütung nicht immer nur eine alleinige Entscheidung, sondern manchmal eine Konversation zwischen mehreren Personen. Deswegen sollten auch die notwendigen Optionen verfügbar sein, damit alle dieselben Optionen haben und gleichgestellt sind.



[1] Patsalidis, M. (2019): Gleichberechtigt verhüten: Wann kommt die Pille für den Mann?, bezogen unter: https://kurier.at/gesund/gleichberechtigt-verhueten-wann-kommt-die-pille-fuer-den-mann/400444294, abgerufen am: 14.11.2019

[2] siehe: dapd (2011): Hemmstoff verhindert Spermienproduktion, bezogen unter: https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/verhuetungsmethode-fuer-den-mann-hemmstoff-verhindert-spermienproduktion-a-766881.html, abgerufen am: 13.11.2019

[3] Müller-Lissner, A. (2011): „Pille für den Mann“ macht depressiv, bezogen unter: https://www.tagesspiegel.de/wissen/verhuetung-pille-fuer-den-mann-macht-depressiv/4466016.html, abgerufen am: 13.11.2019

[4] Kappeler, M. (2011): Indonesia’s birth control pill for men, bezogen unter: https://www.pri.org/stories/2011-02-27/indonesias-birth-control-pill-men, abgerufen am: 13.11.2019

[5] Die Studie umfasste 350 Teilnehmer.

[6] Winn, P. (2014): Indonesia’s new male birth controll pill is ’99 percent effective’, bezogen unter: https://web.archive.org/web/20150930102934/http://www.globalpost.com/dispatch/news/regions/asia-pacific/indonesia/141124/indonesia-new-male-birth-control-pill-effective, abgerufen am: 13.11.2019, sowie: praxisvita (2014): Jetzt mkommt die „natürliche“ Anti-Baby-Pille für den Mann, bezogen unter: https://web.archive.org/web/20150930194839/http://www.praxisvita.de/jetzt-kommt-die-natuerliche-anti-baby-pille-fuer-den-mann/gn/12977, abgerufen am: 14.11.2019

[7] Familienplanung.de (2017): Wann kommt die „Pille für den Mann“?, bezogen unter: https://www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/pille-fuer-den-mann/#c64592, abgerufen am: 14.11.2019

[8] mdr.de (2019): US-Forscherinnen vermelden ersten erfolgreichen Test, bezogen unter: https://www.mdr.de/wissen/pille-fuer-den-mann-getestet-100.html, abgerufen am: 14.11.2019

[9] Pama (2019): Pionierstudie: Kommt bald das Verhütungsgel für den Mann?, bezogen unter: https://kurier.at/gesund/pionierstudie-kommt-bald-das-verhuetungsgel-fuer-den-mann/400394318, abgerufen am: 14.11.2019

[10] Patsalidis, M. (2019): Gleichberechtigt verhüten: Wann kommt die Pille für den Mann?, bezogen unter: https://kurier.at/gesund/gleichberechtigt-verhueten-wann-kommt-die-pille-fuer-den-mann/400444294, abgerufen am: 14.11.2019, sowie: Red. (2019): Neue Studie mit „Pille für den Mann“- und die Ergebnisse lassen hoffen, bezogen unter: https://wienerin.at/neue-studie-mit-pille-fur-den-mann-und-die-ergebnisse-lassen-hoffen, abgerufen am: 14.11.2019

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